Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, meine sehr geehrten Damen und Herren,
welche Maßstäbe kann man an den Haushalt einer Haushaltssicherungskommune legen? Welchen Anforderungen kann, soll und muss ein solcher, unter schwierigen Rahmenbedingungen erstellter Haushalt gerecht werden? Diese Fragen beschäftigen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, und uns, seitdem Kämmerer Christoph Gerbersmann im Dezember seinen Etat für die Jahre 2018 und 2019 vorgelegt hat.
Eins vorneweg: Die Zahlen stimmen! Herr Gerbersmann hat einen Haushalt vorgelegt, der auf dem Papier ausgeglichen ist, der viele Risiken unter aktuell günstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen angemessen berücksichtigt und der geeignet ist, die so dringend benötigten Stärkungspaktmillionen auch weiterhin nach Hagen fließen zu lassen. Es ist Teil von Generationengerechtigkeit, unseren Kindern und Kindeskindern keinen Schuldenberg zu hinterlassen, der ihnen künftig jegliche Gestaltungsmöglichkeiten nähme, hat der Kämmerer dazu richtigerweise erklärt. Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit: Zur Generationengerechtigkeit gehört auch, die Herausforderungen der Zeit anzunehmen und die kommenden Generationen nicht auf einem Aufgabenberg sitzen zu lassen, der kaum mehr zu bewältigen ist, sodass die Menschen, die Hagens Zukunft leben sollen, entsetzt das Weite suchen.
Meine Damen und Herren, die Schlagzeilen der vergangenen Wochen, die zu diesem düsteren Szenario passen, sind mehr als reichlich, und sie lassen einen angst und bange werden.
Unsere örtliche Tageszeitung benennt, wo der Schuh drückt. „Familienunfreundliche Stadt“ kommentierte die Westfalenpost vor fünf Tagen anlässlich der lächerlichen Etat-Summe von 12.000 Euro für neue Spielgeräte auf Spielplätzen in einer regelrechten Generalabrechnung mit der Hagener Familienpolitik. Sie beklagt ein – Zitat – „Steuer- und Gebührengeflecht, in dem Hagen völlig überzogen die Hand aufhält“. Und weiter heißt es bezüglich der Kindertagesstätten: „Die Stadt bittet Bürger mit durchschnittlichen bis ordentlichen Gehältern so brutal zur Kasse, dass es sich lohnt, dass einer seine Stelle reduziert oder gleich ganz aufhört zu arbeiten.“
Vor sechs Tagen hieß es dann in der WP: „Rampe hinter dem Arbeitsamt wird für Schwerlaster gesperrt“, zudem darf nur noch eine Fahrspur von vorhandenen zwei Spuren genutzt werden. Hintergrund ist ein gigantischer Sanierungsstau, der die in die Jahre gekommenen Brückenbauwerke betrifft und der zu weiteren Sperrungen führen wird. Diverse Berichte drehen sich zudem um die Feinstaubbelastung, drohende Fahrverbote in der Innenstadt und den drohenden Verkehrskollaps durch zu viel Individualverkehr.
Und zur umfangreichen Kritik am schwach aufgestellten ÖPNV vermeldet die Hagener Straßenbahn am 10. Februar in der WP: „Wir liefern genau das, was die Stadt bestellt hat“. Fakt ist dabei, dass die Stadt Hagen den ÖPNV immer mehr zusammengestrichen hat – die empfindlichsten Schritte waren die Einführung der sogenannten Linie Mensch im Jahre 2002 sowie die empfindliche Zäsur im Jahre 2008, als noch einmal 400.000 Fahrkilometer pro Jahr aus dem Fahrplan heraus gekürzt wurden.
Meine Damen und Herren, wer nun glaubt, hier im Rathaus würden allein wegen dieser von mir dargestellten Missstände in jedem Büro die Alarmglocken läuten, der irrt. Weder den Oberbürgermeister, noch die ihn tragenden Mehrheitsparteien CDU, Grüne, FDP und Hagen aktiv scheint das Wegbrechen jeglicher städtischer Perspektiven sonderlich zu stören. Und wenn Parteien hergehen und dennoch versuchen, ein bisschen Geld in die Zukunft zu investieren, wird flugs ein Schreiben aus dem Arnsberger Regierungspräsidium angefordert, das die Aussichtslosigkeit ihres Unterfangens in Behördendeutsch gießt. Kein Wunder, wenn man als Verwaltungsspitze im Anschreiben an die Aufsichtsbehörde nicht etwa die Notwendigkeit zusätzlicher Investitionen argumentativ untermauert, sondern im Gegenteil geradezu um eine Abfuhr bettelt.
Und so ändert sich nichts am allgemeinen Hagener Elend, sondern es wird im Gegenteil noch verschlimmert. Was mich zurück zu den Beispielen bringt, die ich eingangs genannt habe. In Sachen überhöhte Elternbeiträge beharrt die Verwaltung trotz aller ungünstigen juristischen Prognosen auf ihrer gierigen Beitragssatzung, die gerichtlich mit hoher Wahrscheinlichkeit gekippt wird. Auf die erbärmliche Spielplatzsituation muss ich wohl kaum näher eingehen, möchte allerdings noch kurz daran erinnern, dass erst im Jahre 2011 im gesamten Stadtgebiet auf Beschluss des Rates 25 Spielplätze aus Kostengründen komplett abgebaut wurden. Nun soll auch kein Geld mehr vorhanden sein, um wenigstens die verbliebenen Spielstätten einigermaßen in Schuss zu halten.
In Sachen ÖPNV sind wir längst an einem Punkt, an dem viele Menschen gar nicht mehr die Möglichkeit haben, das eigene Auto stehen zu lassen oder es gar abzuschaffen, um auf den Bus umzusteigen. Gerade in den Abend- und Nachtstunden findet Busverkehr nurmehr fragmentös statt, und wer von der Arbeit oder von kulturellen Veranstaltungen nach Hause kommen möchte, ist bei der Hagener Straßenbahn oft an der falschen Adresse. Das ist keineswegs Schuld der Hagener Straßenbahn, sondern das Ergebnis von drastischen Sparmaßnahmen. Dadurch konnte das Minus der Hagener Straßenbahn von circa 20 Millionen Euro im Schnitt der Jahre 2003 bis 2008 auf rund 11,5 Millionen Euro gedrückt werden. Ergebnis der damit verbundenen Leistungskürzungen ist aber auch ein Verlust von 3,8 Millionen Fahrgästen jährlich im Vergleich zum Jahr 2010 – das sind mehr als zehn Prozent. Bei den Abonnenten sehen die Zahlen noch dramatischer aus – hier ist die Straßenbahn von 35.000 im Jahr 2010 auf 28.000 heute abgestürzt. Das sind satte 20 Prozent, und die Tendenz ist weiter fallend.
Meine Damen und Herren, wir brauchen mehr Menschen, die sich dauerhaft mit dem Fortbewegungsmittel Bus anfreunden, nicht weniger.
Was nützen uns die mühevoll erarbeiteten Erkenntnisse aus Arbeitskreisen und Gutachten, was bringen vollmundige Absichtserklärungen, wenn am Ende des Tages nicht das Geld bereitgestellt wird, um unseren Busverkehr den Bedürfnissen möglichst vieler Menschen anzupassen? Der ticketlose, umlagefinanzierte ÖPNV, so wie ihn die Piraten seit vielen Jahren fordern und wie er vor wenigen Tagen auch von den Ministern Hendricks, Schmidt und Altmaier zur Lösung der Feinstaubproblematik in den Städten vorgeschlagen wurde, muss und wird letztlich kommen. Damit einhergehen wird eine Vervielfachung der Fahrgastzahlen. Wir täten gut daran, den ÖPNV schon heute so aufzustellen, dass er eine echte Alternative für die meisten Hagenerinnen und Hagener darstellt.
Nahtlos überleiten kann ich an dieser Stelle zur Verkehrsinfrastruktur, dem vielleicht größten Sorgenkind der Stadt. Auf Grund der Verwendung von Baustoffen, die heute als veraltet gelten, droht zahlreichen Brückenbauwerken im Stadtgebiet Spannungsrisskorrosion und Einsturz; zum Teil ohne Ankündigungsverhalten. Dies hat zur Teilsperrung der von mir eingangs erwähnten Arbeitsamtsrampe geführt, und es werden weitere Sperrungen mit erheblichen Folgen für den Verkehrsfluss kommen. Dennoch finden sich keinerlei Mittel im Haushalt, um dieser Entwicklung planerisch zu begegnen. So geht im schlimmsten Fall wertvolle Zeit verloren, wenn zur Bauzeit noch die nicht unerhebliche Planungszeit kommt, und chaotische Verkehrsverhältnisse werden zum Dauerzustand.
Meine Damen und Herren, mir ist sehr wohl bewusst, dass man mit leerem Beutel keine großen Sprünge machen kann. Aber es muss doch unsere gemeinsame Aufgabe sein, wenigsten einzelne Schritte in Richtung Zukunft zu versuchen.
Um die zusätzlichen benötigten Mittel zu erhalten, beantrage ich 1. Lesung und gemeinsame Kontaktaufnahme aller Fraktionen unter der Federführung des Oberbürgermeisters mit dem Landesinnenministerium, um die brisante Lage zu schildern und einen Weg zu finden, um weiter Mittel für die Bereiche ÖPNV, Straßen- und Brückensanierungen, Förderung von Vereinen und Verbänden, sowie familienfreundlicher Infrastruktur zu erwirken.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!